„Wir brauchen bald wieder ein bisschen Holz“, sprach Lasse Laubfrosch in die knisternde Stille des Kaminfeuers hinein. „Ich geh schon“, antwortete Igor Igel und stand aus seinem kuschelig-warmen Sessel auf. „Nein, du bleibst drinnen. Das ist viel zu kalt für dich da draußen“, meinte Frieda Fuchs und sprang ebenfalls auf: „Ich mach das schon.“ Damit verließ sie ihren Bau, in dem sich alle Freunde am Kamin versammelt hatten und genüsslich Bratäpfel verspeisten.
Igor ließ sich wieder in seinen Sessel plumpsen, legte die Füße hoch und nahm seinen Teller auf den Schoss, wobei er den darauf in Vanillesoße schwimmenden Bratapfel vorsichtig ausbalancierte. „Ich glaube, das könnte tatsächlich klappen, dass wir in diesem Winter alle wach bleiben“, sagte Henriette Hase optimistisch. „Solange uns das Brennholz nicht ausgeht…“, gab Ferdinand Fischadler zu bedenken, der auch auf seinen winterlichen Flug in den Süden verzichtet hatte, um in diesem Winter endlich einmal Schnee und Eis zu sehen. „Für das Brennholz sorgt doch unser Freund Billi. Für den Baumeister Biber ist das doch kein Problem!“ meinte Henriette. Der Biber mit Namen Billi Bockert nickte nur, weil er sich den Mund gerade ziemlich vollgestopft hatte: „Mm-mm!“ „Also, ich bin jedenfalls kein bisschen müde“, sagte Lasse: „Und du, Igor?“ „Nö. Nicht mehr als normal“, meinte Igor und rutschte ein wenig bei Seite, um Frieda Platz zu machen, die mit einem großen Arm voll Brennholz wieder hereingekommen war.
„Wenn Igor müde ist, ist das auch kein Wunder. Nach dem, was er den ganzen Sommer über zu tun hatte“, schmatzte Henriette zwischen zwei Bissen. „Mm-mm, das war schon eine echte Leistung, dass du Wurmi immerzu mit Futter versorgt hast“, meinte Billi Bockert. „Ja, diese kleine dicke Raupe hat einem ja echt die Haare vom Kopf gefressen“, meinte Lasse dazu. Da Las-se Laubfrosch noch nie ein einziges Haar auf seinem Kopf gehabt hatte, prusteten seine fünf Freunde los und lachten über den guten Witz, während Lasse zuerst ziemlich verdutzt guckte und dann erst begriff , was er gerade gesagt hatte. Da lachte er auch und rieb sich den kahlen Froschkopf: „Sieht man doch, oder?“
Als sich alle wieder beruhigt hatten, sagte Frieda: „Ich bin schon ganz gespannt, wie Wurmi aussieht, wenn er im Frühjahr aus seiner Puppe schlüpft.“ Alle anderen nickten und schlürften ihre Vanillesoße. Eigentlich wussten die Freunde ja noch nicht, ob Wurmi männlich oder weiblich war, aber alle sagte inzwischen „er“, weil es so einfacher war. „Das war vielleicht spektakulär, als Wurmi sich einfach verpuppt hat. Mitten im Versteckspiel! Plötzlich weg!“ erinnerte sich Igor. „Ja, genau. Zwei Stunden haben wir ihn gesucht! Wisst ihr noch?“ fragte Henriette. „Echt? So lange? Ich war da ja noch nicht dabei“, meinte Billi: „Erzählt mal!“ Also erzählte Frieda: „Wir haben drüben im Stühbusch Verstecken gespielt. Das war so Ende Juli, glaube ich. Und als ich gerade mit dem Suchen an der Reihe war, konnte ich Wurmi einfach nicht finden. Nach einer Viertelstunde hab ich die anderen gebeten, mir bei der Suche zu helfen.“ „Wurmi zu finden ist sowieso immer am schwierigsten gewesen, weil er der Kleinste von uns ist“, unterbrach Ferdinand: „Deshalb haben wir uns zuerst gar nicht viel dabei gedacht. Ich hab versucht, Wurmi aus der Luft zu finden.“ „Nach einer Stunde habe ich langsam angefangen, mir Sorgen zu machen. Normalerweise hätte Wurmi da nämlich schon lange wieder Hunger haben müssen“, ergänzte Igor die Geschichte.
Und Lasse fuhr fort: „Zuerst haben wir nur ganz sorgfältig den Stühbusch abgesucht, aber als Igor meinte, da würde irgendwas nicht stimmen, haben wir den weiteren Umkreis abgesucht.“
„Schließlich hat Frieda ihn entdeckt. Ich war bestimmt schon dreimal an ihm vorbeigelaufen, ohne ihn zu erkennen. Aber das ist auch kein Wunder. Wer kann denn damit rechnen, dass man eigentlich längst ein komisches Knäuel suchen müsste? Ich hab‘ halt nur nach einer süßen, grünen Raupe mit rosa Knubbeln Ausschau gehalten“, verteidigte sich Henriette. „Hast ja recht“, beschwichtigte Frieda: „Ich hab‘ auch erst ziemlich spät geschnallt, was los war. Als wir Wurmi einfach nicht finden konnten, habe ich halt angefangen nachzudenken, was passiert sein könnte. Und da fiel mir ein, dass Wurmi mit dem Verpuppen eigentlich schon überfällig war.“ „Bestimmt war Wurmi zuerst noch dabei sich zu verpuppen, als wir anfingen, ihn zu fünft zu suchen“, meinte Ferdinand: „So etwas dauert ja eine Weile.“ „Und ihr habt ihn einfach da hängen lassen, wo er sich gerade verpuppt hatte?“ fragte Billi Bockert, obwohl er diesen Teil der Geschichte schon einige Male gehört hatte. „Natürlich“, sagte Igor: „Wurmi weiß doch wohl am allerbesten, wo für ihn die beste Stelle zum Überwintern ist, oder?“ Dazu nickten alle nur, und einige fingen nun an, ihre Teller abzulecken, denn die Bratäpfel waren inzwischen verputzt.
Als du dann zu uns gestoßen bist, das war aber fast genauso eine große Überraschung“, meinte Frieda zu Billi: „Du musst uns unbedingt noch mehr von deiner Heimat erzählen! Wie ist es im Naturpark Dübener Heide?“ Aber Ferdinand ließ Billi zunächst gar nicht zu Wort kommen: „Ja, Meister Bockert! Dass du zu Besuch in die Lüneburger Heide gekommen bist, das ist eine tolle Sache! Du hast uns ja damals mit Igor auch schon ziemlich geholfen, als wir ihn vor dem Hochwasser retten mussten. Igor, die Schlafmütze!“ „Ja, da haben wir dich ja schon einmal getroffen. Aber es hat noch bis zum Herbst gedauert, bis wir uns angefreundet haben. Warum eigentlich?“ fragte Henriette. Da Ferdinand und Frieda gerade damit beschäftigt waren, Holz auf das Kaminfeuer nachzulegen, kam jetzt endlich auch Billi wieder zu Wort: „Ich musste doch erst meine Biberburg bauen und den Damm. Ganz schön viel Grab- und Nage-Arbeit für einen einzelnen Biber! Das kann ich euch sagen. Normalerweise leben wir Biber ja in einer großen Familie zusammen. Und viele Zähne machen leichte Arbeit, sagt man. Alles musste doch möglichst schnell fertig werden, weil ich ja schon damals geplant hatte, meinen Urlaub hier bei euch über den ganzen Winter auszudehnen.“
„Gut, dass du deine sich selbst schärfenden Eisenzähne hast“, sagte Ferdinand: „Vorne in der Schicht auf den Nagezähnen sind Eisenverbindungen drin. Das macht sie stabil und, weil sie sich deshalb hinten schneller abnutzen, bleiben sie von selbst scharf.“ „Ganz schön cool, deine Zähnchen“, kommentierte Lasse nur. „Aber jetzt erzähl‘ mal von zuhause!“ mischte sich Frieda wieder ein, während sie ein letztes Scheit Brennholz nachlegte.
Und was der Biber Billi Bockert dann von seiner Heimat zu berichten hatte, begeisterte die anderen so sehr, dass es an diesem Abend ziemlich spät wurde, bevor die Freunde sich trennten.
Ina Wosnitza
Naturschutz & Naturparke, Heft 218
Mitgliederzeitschrift des Vereins Naturschutzpark e.V. (VNP)
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